In einem offenen Brief an die Berner Lehrpersonen fordert die SP Kanton Bern, im Selektionsfach Französisch auf einen Übertrittsentscheid und die Notengebung zu verzichten. Zu Gunsten eines modernen Fremdsprachunterrichts mit optimaler individueller Förderung sollen Kinder und ihre Eltern frei wählen können, auf welchem Niveau der Unterricht auf der Sekundarstufe I besucht wird. Der neue Französischunterricht an der Primarstufe mit dem Lehrmittel „mille feuilles“ setzt auf moderne Fremdsprachdidaktik mit einer konstruktivistischen Sicht auf das individuelle Lernen. Die SP Kanton Bern begrüsst diesen wichtigen pädagogischen Schritt. Sie hat aber kein Verständnis, dass von den Lehrpersonen verlangt wird, die individuell erworbenen Kompetenzen zu vergleichen und mit Noten zu beurteilen. Dies steht in Widerspruch zu den Grundprinzipien des modernen Unterrichts und ist keine Aufgabe, die Lehrpersonen mit realistischem Aufwand erfüllen können. Es stehen auch zu wenige Testmodule zur Auswahl, welche eine Beurteilung der erworbenen Kompetenzen ermöglichen würden. Deshalb fühlen sich viele Lehrpersonen gezwungen auf das Testen von Lernzielen zurückzugreifen, die im Lehrmittel nicht vorgesehen sind, zum Beispiel Abfragen von Wörtern oder die Anwendung von grammatikalischen Regeln. Der Widerspruch zwischen moderner Fremdsprachdidaktik und dem Zwang zu Notengebung und Selektion belastet Kinder, Eltern und Lehrpersonen. Eine grosse Verunsicherung macht sich breit. Parteipräsident Roland Näf sagt dazu: „Eltern wissen nicht, wie sie ihre Kinder unterstützen können und Lehrpersonen haben keine Werkzeuge um die Kompetenzen der Kinder umfassend zu vergleichen. Trotzdem sollen sie ihre Entscheide mit konkreten Ergebnissen begründen können.“ Als kurzfristige Massnahme fordert die SP Kanton Bern die Primarlehrpersonen der 6. Klassen auf, in den Übertrittsformularen im Fach Französisch keinen Zuweisungsvorschlag einzutragen und den Kindern und ihren Eltern die Wahl der Stufe zu überlassen. PädagogInnen sind in erster Linie den Kindern verpflichtet und nicht der Bildungspolitik, welche zwar die Selektion weiterhin fordert, aber gleichzeitig dafür keine Instrumente zur Verfügung stellen kann.