Kommentar zum 14. Juni: Systemwechsel statt billiger Zugeständnisse

Dieses Jahres fand der siebte feministische Streik statt und die 35’000 Menschen allein in Bern waren nicht nur müde von der brennenden Hitze, sondern von einem patriarchalen, kapitalistischen System, welches von Ungleichheit lebt und reproduziert – Darum brauchen wir Widerstand und einen Systemwechsel!

Diese Einleitung wäre schon vor 100 Jahren treffend gewesen. 1928 zogen Aktivistinnen eine riesige Schnecke über den Bundesplatz in Bern – als Symbol für das schleppende Vorankommen in der Frauenstimmrechtsfrage. Und obwohl sie damals bereits ein halbes Jahrhundert kämpften, sollten weitere 43 Jahre vergehen, bis Frauen 1971 endlich das Stimmrecht erhielten – ein demokratisches Grundrecht, das uns viel zu lange vorenthalten wurde.

Heute, 54 Jahre später, müssen wir feststellen, dass sich die strukturellen Bedingungen nicht grundlegend veränderten. Im Gegenteil: Viele Errungenschaften früherer Kämpfe stehen wieder unter Druck, die Gewalt an Frauen nimmt zu und die Zahl der Femizide steigt. Gleichzeitig begegnet das Parlament feministischen Forderungen mit Ignoranz und Zynismus. Anstatt den Mutterschutz auszubauen oder Elternzeit gerecht zu gestalten, schlägt das Parlament vor, den bestehenden Mutterschutz einfach auf beide Eltern aufzuteilen. Als wäre die Erholung vom Gebären verhandelbar und als sei alles nur eine Frage der Organisation und des Zeitmanagements.

Es ist ermüdend. Es ist frustrierend. Und genau deshalb streiken wir. Jahr für Jahr.

Was wir sehen, ist ein kapitalistisches System, das systematisch auf der unbezahlten sowie unterbezahlten und gleichzeitig abgewerteten Arbeit von Frauen basiert. Das betrifft die Hausfrau, die Pflegerin, die Reinigungskraft – aber auch die Wissenschaftlerin, deren Arbeit in männlich dominierten Strukturen abgewertet wird. Wer also ernsthaft über Gleichstellung spricht, muss den Kapitalismus infrage stellen. Denn die herrschenden Eigentums- und Machtverhältnisse sind keine geschlechtsneutralen Strukturen – sie sind historisch gewachsene Systeme der Ausbeutung, die auf Hierarchien beruhen. Auf Hierarchien zwischen Klassen, zwischen Geschlechtern, zwischen globalem Norden und Süden.

Dies sind nicht theoretische Konzepte und politische Schlagwörter, die Unterdrückung von Frauen ist ein zentraler Bestandteil des kapitalistischen Reproduktionsmodells. Sie funktioniert durch strukturelle Abhängigkeit, ökonomische Unsichtbarkeit und die ideologische Trennung von «öffentlicher» und «privater» Arbeit.

Und deshalb kommen wir nicht um antikapitalistische Theorien und klare Benennungen wie «Klassenkampf» herum. Denn es reicht nicht Gleichstellung auf rechtlicher Ebene zu verankern, wenn die ökonomischen und sozialen Grundlagen weiter ungleich verteilt sind. Gleichstellung ist keine Frage der reinen Rechtsform. Sie ist eine Frage der Umverteilung von Ressourcen und politischer Repräsentation.

Wir brauchen keine Integration in ein patriarchales, kapitalistisches System – sondern eine radikale Transformation.

Co-Präsidium SP Frauen Kt. Bern Vanessa Bieri, Clara Wyss

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