Die SP-Juso bedauert das Beharren des Grossen Rates auf die Aufteilung in Real- und SekundarschülerInnen nach der sechsten Klasse. Die Mehrheit setzt sich über eindeutige Ergebnisse der Wissenschaft hinweg. Diese zeigen nämlich, dass Selektion weitgehend vom Zufall bestimmt ist und viele Kinder wegen der frühen Zuteilung nicht optimal gefördert werden. Frühe Selektion verwehrt den Kindern die Chance sich optimal zu entwickeln Menschen entwickeln sich unterschiedlich und in verschiedenem Tempo. Deshalb soll jedem Kind in jeder Phase die Chance eingeräumt wird sich zu verbessern, auch leistungsmässig. Die frühe und starre Zuteilung in eine Realklasse erschwert diesen Kindern den weiteren Bildungsweg und steht damit klar im Widerspruch zum Prinzip der individuellen Förderung und der Chancengleichheit. Dazu zitiert die Motionärin Eva Baltensperger den bekannten Erziehungswissenschaftler Wilfried Kronig: Was bei der Wetterprognose selbstverständlich ist, gilt auch für unsere Kinder: Je früher die Prognose, desto wahrscheinlicher der Irrtum! Lehrpersonen im Spagat Was in anderen Bereichen unserer Gesellschaft undenkbar ist, müssen Lehrpersonen der 5. und 6. Klasse umsetzen. Sie sollen als Pädagogen Kinder in ihrem Leistungswillen unterstützen und stärken, anderseits müssen sie schlechtere Leistungen durch eine Zuteilung in die Realklasse sanktionieren. Roland Näf meint dazu: Was auf keinem Fussballfeld akzeptiert würde, ist in unserer Volksschule System, Lehrpersonen sind gleichzeitig Trainer und Schiedsrichter. Kinder und Eltern unter Druck Besonders in undurchlässigen Modellen hat die Selektion für Eltern und Kinder ein sehr grosses Gewicht, denn der Entscheid kann nicht so schnell korrigiert werden. Hoch ist die Belastung für alle Beteiligten und Konflikte häufen sich. Die systematische Unterforderung bzw. Diskriminierung von Realschülerinnen und -Schülern macht den Eltern verständlicherweise Angst. Mit dem Misserfolg bei der Selektion werden die Schülerinnen und Schüler demotiviert und ihre Förderung in Frage gestellt. Selektion von Glück und Zufall geprägt Statt des Übertrittsverfahrens könnten wir die Sechstklässlerinnen und Sechstklässler würfeln lassen. Diesen Schluss lässt die Bildungsforschung zu: Die Zuweisung auf der Sekundarstufe I ist bei den meisten Kindern (über 80%) vom Zufall geprägt. Aber im Gegensatz zum Würfeln entscheiden schon vor der Geburt verschiedene Zufallsfaktoren über die Zukunft. Es ist weniger Leistung, welche die Lebenschancen bestimmt. Wichtig ist zum Beispiel der Ort: kleines Oberländerdorf oder Agglomeration Bern. Oder die Eltern: Akademiker oder ungelernte Hilfsarbeiter, Schweizer oder Immigranten mit schlechten Sprachkenntnissen. Glück braucht es auch in der Schule: Ein tiefes Leistungsniveau in der Klasse erhöht die eigenen Chancen. Eva Baltensperger wird im Nachgang zum heutigen Entscheid des Grossen Rates in einer Petition fordern, dass der Kanton Bern eigene Erfahrungen mit selektionsfreien Volksschulen sammelt, und zwar interkantonal abgestützt.